Das „Institut für Interkulturelle Didaktik“ an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen bestand von 1989 bis 2000. Seine Gründung ist in indirekter Folge der Neugliederung der Universität Göttingen zu Anfang der 1980er Jahre zu sehen. Die damalige Philosophische Fakultät war für einen Fachbereich zu groß, musste also aufgeteilt werden. Für das Pädagogische Seminar wurden bei dieser Neugliederung in eine Fachbereichsstruktur von den Betroffenen 3 verschiedene Optionen vorgetragen: 1. Eingliederung in einen Sozialwissenschaftlichen Fachbereich; 2. Integration aller erziehungswissenschaftlichen Universitätseinrichtungen mit der Pädagogischen Hochschule; 3. Eingliederung des Pädagogischen Seminars in einen Historisch-Philologischen Fachbereich.  Die erstgenannte Option war am meisten gewünscht und wurde dann auch vollzogen, allerdings auf der Grundlage einer Ausgliederung des Lehrstuhls von Karl-Heinz Flechsig und des Verfassers (damals Leiter der „Arbeitsgruppe für Unterrichtsforschung“) aus dem Pädagogischen Seminar in ein neues „Institut für Kommunikationswissenschaften“ mit den Abteilungen  „Allgemeine Didaktik und Unterrichtsforschung“ sowie „Publizistik und Kommunikationswissenschaft“. Es zeigte sich bald, dass die auf Seiten der Didaktiker damit verbundene Perspektive einer Orientierung zu den sogenannten „Neuen Medien“ nicht in eine gemeinschaftliche Zielsetzung dieses gesamten Instituts umgesetzt werden konnte; mit der Besetzung einer zweiten Professur in der Abteilung „Publizistik und Kommunikationswissenschaft“ wurde die Eigenständigkeit dieser Abteilung für ein alleiniges Institut betrieben; die Frage aber war, was aus den beiden Professoren (der Verfasser erhielt 1982 eine Umwidmung) der Abteilung „Allgemeine Didaktik und Unterrichtsforschung“ werden sollte. Ein eigenständiges Institut für (Allgemeine) Didaktik zu gründen, wurde vom Pädagogischen Seminar nicht akzeptiert, da dieses ja auch das Fach Didaktik vertrat.

Mittlerweile waren in der Abteilung „Allgemeine Didaktik und Unterrichtsforschung“ Schwerpunkte und Aktivitäten im Bereich interkultureller Bildungsforschung entstanden, die denn auch eine Lösung aus dem Dilemma erkennen ließen. Karl-Heinz Flechsig war 1972 bis 1980 Mitglied des Erziehungsausschusses der Deutschen UNESCO-Kommission gewesen, hatte mit anderen 1978 die Sektion „Bildungsforschung mit der Dritten Welt“ in der „Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft“ gegründet und bis1982 geleitet sowie seit 1974 an mehreren pädagogischen Entwicklungsprojekten in Tansania, Nigeria,  Gambia, Kenia, Madagaskar, Ruanda, Chile, Uruguay und Uganda teilgenommen. Er war 1982 bis 1991 Mitglied des Fachbeirats der  "Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung". Unter anderem hatte er hochschul- und schuldidaktische Workshops in Ländern der Dritten Welt mit durchgeführt; 1986 erhielt er einen Evaluierungsauftrag für die „Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ („Sportunterricht in Madagaskar“), und er und der Verfasser erhielten einen Evaluierungsauftrag des „Deutschen Entwicklungsdienstes“ zur „Sportlehrer-Fortbildung in Ruanda“, der Verfasser im folgenden Jahr mit anderen zum „Mobilen Beratungsdienst für Lehrkräfte der praktischen Fächer“ ebenfalls in Ruanda. Des Weiteren sind zu nennen zwei hochschuldidaktische Sommerkurse für Stipendiaten des „Deutschen Akademischen Austausch-Dienstes“ aus Korea und Kolumbien sowie das wachsende Interesse am „Göttinger Katalog Didaktischer Modelle“ in Lateinamerika.

In der Bundesrepublik Deutschland gab es in dieser Zeit (Ende der 1980er Jahre) knapp ein halbes Dutzend Hochschuleinrichtungen, die sich in Forschung und Lehre ausführlicher mit entwicklungspädagogischen Fragen befassten, so in Frankfurt und Berlin. Es entwickelte sich daher die Idee, dieses noch wenig repräsentierte Thema in einem eigenständigen „Institut für Interkulturelle Didaktik“ umzusetzen. Eine Einbindung in die anstehenden Neufassungen der Prüfungsordnungen für den Magisterstudiengang des Fachbereichs Sozialwissenschaften und damit auch für den Magisterstudiengang des Fachbereichs Historisch-Philologische Wissenschaften (jeweils als Nebenfach) sowie für den Studiengang „Diplomsozialwirte“ (als Wahlpflichtfach) wurde umgesetzt und das Institut wurde 1989 eingerichtet.

Themenschwerpunkte des Faches waren die folgenden Studienbereiche und Prüfungsgebiete:

1.    Didaktisches Handeln in interkulturellen Kontexten

Makrodidaktik: Planung, Organisation und Evaluierung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen; Mesodidaktik: Planung, Durchführung und Evaluierung von Bildungsveranstaltungen; kulturell angepaßte Lehr-/Lernmittel; Mikrodidaktik: Formen zielgruppenspezifischer didaktischer Kommunikation und Interak­tion; sowie weitere Prüfungsgebiete im Einvernehmen mit den Prüfern/Prüferinnen.

2.    Theoretische Grundlagen Interkultureller Didaktik

Kulturbegriffe und Kulturtheorien; Universalistische und kulturrelativistische Positionen didaktischer Theoriebildung; Bildungskonzepte für kulturelle Minderheiten; Theorien und Modelle interkultureller Kommunikation und Interaktion; Kulturbedingte Voraussetzungen organisierten Lernens; Kulturbedingtheit der Lehrformen; Bezugsdisziplinen der Interkulturellen Didaktik; sowie weitere Prüfungsgebiete im Einvernehmen mit den Prüfern/Prüferinnen.

3.    Methoden praxisnaher Lehr-Lernforschung

Kulturbedingtheit des Forschungsverständnisses; Interkulturelle Kommunikation in Forschungsprojekten; Kulturabhängigkeit von Forschungsmethoden und -instrumenten; sowie weitere Prüfungsgebiete im Einvernehmen mit den Prüfern/Prüferinnen.

4.    Methoden interkulturellen Trainings

Kulturübergreifende Trainingsmethoden; Kulturspezifische Trainingsmethoden; sowie weitere Prüfungsge­biete im Einvernehmen mit den Prüfern/Prüferinnen.

5.    Institutionelle Kontexte interkultureller Didaktik

Organisation internationaler Zusammenarbeit im Bildungsbereich; Organisation des Kulturaustauschs; Organisation von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für kulturelle Minderheiten; sowie weitere Prüfungsgebiete im Einvernehmen mit den Prüfern/Prüferinnen.[1]

 

Typische Profile bei den Studierenden, welche Interkulturelle Didaktik als Nebenfach wählten, waren im sozialwissenschaftlichen Magisterstudiengang auf Ethnologie als erstem Hauptfach, im historisch-philologischen Magisterstudiengang auf Deutsche Sprachwissenschaft (mit der Perspektive Deutsch als Fremdsprache) ausgerichtet.

 

Handlungsfelder, die durch das Studium des Faches erschlossen werden sollten, waren:

 ·         Übergangsgesellschaften, also Gesellschaften, wie sie charakteristisch sind für die meisten Länder der Dritten Welt, in denen traditionelle Kultur ("traditionaler Sek­tor") und moderne Kultur ("moderner Sektor") auf ein- und demselben Territorium bestehen und wirken.

·         Multikulturelle Gesellschaften, also Gesellschaften, in denen neben einer dominanten Kultur eine oder mehrere Minderheitenkulturen bestehen und wirken. Diese sind zumeist entweder durch Einwanderung oder Staatenbildung (oft in nachkolonialer Zeit) entstanden.

·         Transkulturelle Institutionen, also Institutionen, in denen Angehörigen unterschiedlicher kultureller Herkunft zusammenarbeiten. Dies sind insbesondere internationale Organisationen (wie die UNO und ihre Unterorganisationen), Religionsgemeinschaften (z. B. Weltkirchenrat) oder regio­nale Zusammenschlüsse (wie z. B. Europarat oder OECD).

·         Institutionen und Situationen des Kulturaustauschs und der internationalen Begegnung. Hierzu gehören Einrichtungen für den Austausch von Praktikern, Wissenschaftlern, Stu­denten und Schülern, aber auch bestimmte Formen des Tou­rismus und internationale Tagungen.

·         Einrichtungen, in denen Projekte der Bildungsforschung mit interkulturellen oder internationalen Bezügen durchgeführt werden.[2]

 

Diese Auflistungen zeigen bereits, dass die grundlegende Orientierung auf Beratung und Entwicklung didaktischer Innovationen gerichtet war. Wenn man Bildungsforschung hinsichtlich ihres Bezuges zur Praxis einteilt in

  • praxisevaluierende
  • praxisbegründende
  • praxisrekonstruierende
  • und praxisentwickelnde Forschung (Flechsig 1975, S. 152f.),

so ist der letztgenannte Typus kennzeichnend für die Arbeiten und Ansätze der hier vorzu-stellenden Einrichtung. Dieses hängt sicherlich mit den Wissenschaftsbiografien der beiden Professoren des Instituts zusammen, die in den 1960er und 1970erJahren vor allem in den Bereichen Unterrichtstechnologie und Curriculumentwicklung tätig gewesen waren. Zudem entsprach es auch der Situation, nämlich dem Versuch, ein neues Studienfach zu inaugurieren. Dabei musste den Studierenden ein professionelles Handlungswissen zur Verfügung gestellt werden, mit dem sie ihre fachliche Identifikation in diversen Handlungsfeldern unter Beweis stellen und selbst weiter entwickeln sollten. Die entsprechenden „Werkzeuge“ waren zum einen Trainings- und Übungsmaterialien, zum anderen diagnostische Instrumente.

 

Bei den ersteren ging es zunächst um eine Adaptation von vorhandenen Simulationsspielen wie „Clues and Challenges“[3], später auch eigene Entwicklungen wie Proyecto "SI" - ein Simulationsspiel zur Weiterbildung von Bildungsplanern in Lateinamerika, Parania - didaktisches Handeln in Übergangsgesellschaften, Laktatien, Cargoland, Polynia - didaktisches Handeln in multikulturellen Gesellschaften und schließlich das 5-Kulturen-Spiel[4]. Gerade das letzte Beispiel zeigt, dass es mit diesen handlungsorientierten Ansätzen nicht um eine Spielausbildung gehen sollte, sondern um theoretisch gut fundiertes Handlungswissen; das von Flechsig konstruierte 5-Kulturen-Spiel fußte auf der Grundlage der Kulturtheorie von Michael Thompson u.a. (1990).

 

Bei den letzteren ging es zum einen um Messinstrumente zur Erfassung von Kulturdimensionen sowie um Lernstilinventare. Anfang der 1990er Jahre waren die Arbeiten von Geert Hofstede noch wenig rezipiert (Hofstede 1980), im „Institut für Interkulturelle Didaktik“ wurden vor allem im Kontext von Lehrveranstaltungen verschiedene Varianten und Erweiterungen dazu entwickelt (siehe u.a. Heue 1995), eine Standardisierung wurde allerdings nicht vorgenommen. Ebenso wurden Modelle und Instrumente der Lernstilforschung aufgegriffen und weiterentwickelt, im Zusammenhang späterer Dissertationen auch in anderen Ländern eingesetzt (Brasilien, Iran). Des Weiteren spielten sogenannte „critical incidents“ eine große Rolle. Hierbei geht es um Episoden zu Kulturkontakten mit herausragender Bedeutung für die Akteure. Dieses Untersuchungsverfahren, entstanden in den 1940er Jahren für die Dokumentation und Analyse von Zwischenfällen beim militärischen Einsatz von Piloten, wird in großem Maße auch als Grundlage für interkulturelle Trainings verwendet bzw. unter der Bezeichnung „Kulturassimilator“ weiterentwickelt. Auch hierzu entstanden Examensarbeiten, später auch eine Dissertation zu Begegnungen zwischen Europäern und Tansaniern im Zusammenhang von Schulpartnerschaften und schließlich eine Dissertation über online-Erhebungen zu Begegnungen zwischen arabischen Studierenden und Deutschen.

Schon in frühen Diskussionen zum Ansatz interkultureller Didaktik wurde im Institut die Gefahr erkannt, dass Analysen und Zuschreibungen von Kulturmerkmalen zu (neuen Formen der)  Stereotypenbildung führen können. Eine wesentliche positive Erfahrung war aber auch, dass der Kulturkontakt zu einem Auslöser kultureller Selbstreflexion werden kann. Dies führte u.a. dazu, dass Flechsig das Konzept kultureller Selbstreflexion in die Trainingsmaterialien und Übungen aufnahm.

 

Nachträglich betrachtet war es wohl ein Fehler, dass die vielfältigen Überlegungen, Ansätze und Anregungen nicht in standardisierte Verfahren überführt werden konnten.

Eine besondere Beachtung verdient die Ausrichtung von Interkultureller Didaktik im Gefüge bisheriger Nomenklaturen von Didaktik: Allgemeiner Konsens dürfte sein, dass es neben einer Allgemeinen Didaktik fächerspezifische Didaktiken (Fachdidaktiken) gibt. In diesem Sinne könnte Interkulturelle Didaktik verstanden werden als Fachdidaktik, d.h. als Didaktik interkultureller Bildung, analog z.B. zu der Bezeichnung Fremdsprachendidaktik als Didaktik fremdsprachlicher Bildung. Fachdidaktiken haben aber üblicherweise eine Fachwissenschaft als primäre Bezugsdisziplin (in dem Analogbeispiel wären dies Sprach- und Literaturwissenschaft der betreffenden Philologie). Die Interkulturelle Didaktik indessen stützt sich auf viele Bezugsdisziplinen, so Ethnologie, Kulturvergleichende Psychologie, Sozialpsychologie, Kommunikationswissenschaft, Soziologie u.a. Dies erfordert eine andere Sichtweise, als man sie von den Fachdidaktiken gewohnt ist, nämlich eine spezifische Ausrichtung innerhalb der Allgemeinen Didaktik:

„‘Allgemeine‘ Didaktik differenziert sich in eine ‚intrakulturelle‘, auf Wissensvermittlung innerhalb der eigenen Kultur bezogene und eine auf Wissensvermittlung zwischen den Kulturen bezogene ‚interkulturelle‘ Richtung.

Die so entstehende ‚Interkulturelle Didaktik‘ ordnet und verbreitet Wissen, das für diejenigen von Bedeutung ist, die als didaktisch Handelnde in interkulturellen Kontexten professionell oder semiprofessionell arbeiten oder selbsttätig lernen. Die folgende Darstellung versucht, einen Überblick über die für sie charakteristischen Handlungsfelder und Wissensgebiete zu geben und dabei in exemplarischer Weise auf disziplinäre Zusammenhänge, bedeutsame Inhalte, Interessen, Methoden und Institutionen hinzuweisen, die dabei eine Rolle spielen.

Wenn im folgenden Zusammenhang von ‚Handlungsfeldern‘ und ‚didaktischem Handeln‘ die Rede ist, so ist darunter nicht nur die Durchführung von Lehrveranstaltungen in Klassenräumen zu verstehen. Didaktisches Handeln kann auch auf der Systemebene (z. B. als Mitarbeit in Planungsabteilungen von Betrieben und Behörden), auf der Programmebene (z. B. in der Curriculumentwicklung) oder in Einrichtungen stattfinden, die der Aus- und Weiterbildung von Lehrern, Ausbildern, Dozenten und Trainern dienen, ferner in Einrichtungen, die mit der Produktion von Medien (z. B. Bildungsfernsehen) und Lehrbüchern (z. B. Verlage) befaßt sind. Didaktisches Handeln außerhalb von Klassenräumen ist für den Bereich der interkulturellen Didaktik insofern typisch, als die im folgenden skizzierten Handlungsfelder sehr häufig gerade ‚Experten‘, ‚Berater‘, ‚Gutachter‘ und ‚Organisatoren‘ verlangen, die eher mittelbar als unmittelbar mit Lehre beschäftigt sind. Außerdem spielt in interkulturellen Zusammenhängen auch nicht-formelle (non-formale) Bildung eine Rolle, die außerschulische Lernorte und selbstorganisiertes Lernen bevorzugt.

Gegenstand interkultureller Didaktik im weiteren Sinne ist somit didaktisches Handeln in interkulturellen Kontexten oder die Vorbereitung auf solches Handeln. Es geht dabei um didaktisches Handeln im Kontext von globalem Lernen sowie Lernen und Lehren in Übergangsgesellschaften, in multikulturellen Gesellschaften, in Bereichen des Kulturaustauschs, in internationalen Organisationen, in der Privatwirtschaft und in Projekten interkultureller Bildungsforschung.“ (Flechsig 1999, S. 1)

Konzept: Gegen Festsetzung neuer Stereotypen, gegen Festschreibung von Nationalkulturen, Kulturelle Selbstreflexion, Binnenkulturelle Varianz, Übergang zu Transkulturalität.

Generell: Auch Allgemeine Didaktik ist kulturell orientiert, es gibt keine nicht-kulturelle Form von Didaktik.

 

Betreuung von Gastwissenschaftlern aus  Chile, Uganda, Brasilien, Russland seit 1980

Damaliger Stand der pädagogischen Auslands- und Migrationsforschung in Deutschland

Lehrveranstaltungen, Aufbau einer Sequenz

„Das Göttinger Lernstudio“: Vielfältige Lehr-/Lernformen in einem Raum

Verlauf der Studentenzahlen bis 2000

Schulpartnerschaftsforschung

Entwicklung Computergestützter Wissenssysteme (CEDID/CEWID) und Untersuchungen bei elektronisch protokollierten Lernprozessen von Kindern

Messinstrumente zur Erfassung kultureller Orientierungen im Anschluss an Geert Hofstede („Kulturdimensionen“)

Messinstrumente zur Erfassung von Lernstilen (Individuelle und kulturbedingte Grundlagen des Lernens)

Entwicklung von „Critical Incidents“-Methoden zur Erfassung von Kulturkontakten und –konflikten im Zusammenhang von Bildungsprozessen

Entwicklung von Trainingsmaterialien

Dissertationen und Magister-/Diplomarbeiten

Auslandskontakte

Theoretische Beiträge vor allem zu Fragen der Entwicklung interkultureller Kompetenz

 

Bezeichnender Weise vielleicht ist, wie mit den Vorläufern und schließlich dem Aufbau des „Instituts für Interkulturelle Didaktik“ die Neugliederung der Universität Göttingen in eine Fachbereichsstruktur verbunden gewesen war und wie mit seiner Auflösung dann eine erneute Aufgliederung in Fakultäten verbunden gewesen war. Der Beschluss des Fachbereichs 1995 zur Auflösung des „Instituts für Interkulturelle Didaktik“ auf der Grundlage einer Umschichtung des Lehrstuhls Flechsig beim Freiwerden seiner Stelle 1997/2000 wurde u.a. mit der mangelhaften Ausstattung des Instituts begründet. Den Anstoß für diesen Auflösungsbeschluss ergab 1995 eine vom Wissenschaftsministerium des Landes Niedersachsen auferlegte Verpflichtung zur Einsparung von freiwerdenden Stellen mit einem festgesetzten Gesamtwert für die Universität Göttingen, dem interne Über- oder Unterwerte zugrundeliegen durften. Im Fachbereich Sozialwissenschaften wurde ein Plan aufgestellt und 1996 beschlossen, als Innovation ein Methodenzentrum einzurichten und u.a. aus der dann nicht neu zu besetzenden Stelle des Lehrstuhls Flechsig zu finanzieren. So wurde dann 2000 zeitgleich mit seiner Emeritierung das „Institut für Interkulturelle Didaktik“ aufgelöst, der Verfasser wurde an das Pädagogische Seminar versetzt.

Aber auch danach wurden die Aktivitäten zur Interkulturellen Didaktik in verschiedenen institutionellen Kontexten fortgesetzt: Zunächst ist die publizistische und weiter vor allem auf Trainings und die Entwicklung von Lehr-/Lernmaterialien gerichtete Arbeit in einem ursprünglich als „Zentrum für Didaktische Studien“ gegründeten gemeinnützigen Verein zu nennen, der 2000 mit beabsichtigter Namensgleichheit in „Institut für Interkulturelle Didaktik“ und 2008 in „Institut für Allgemeine und Interkulturelle Didaktik“ umbenannt wurde. Hier wurden vor allem die Simulationsspiele und Übungen (z.B. das „5-Kulturen-Spiel“ oder „Übungen zur kulturellen Selbstreflexion“) vermittelt, es entstanden weiterhin in modularem Aufbau Qualifizierungsprogramme.

Karl-Heinz Flechsig führte am „Institut für Ethnologie“ weiterhin Lehrveranstaltungen durch (bis 2007).

Der Verfasser konnte seine Arbeiten im Pädagogischen Seminar fortsetzen, insbesondere  bei der Betreuung von ca. 15 Promotionsprojekten[5], zumeist mit Doktorandinnen und Doktoranden aus dem Ausland, und bei mehreren EU-Projekten, bei denen z.B. eine Erweiterung der „Critical Incident“-Methoden zur Erhebung und Dokumentation interkultureller Begegnungen durch Filmproduktionen[6] sowie eine Erweiterung des Katalogs didaktischer Modelle (Flechsig 1995) durch eine Auflistung und Beschreibung von Grundformen informellen Lernens[7] durchgeführt wurden.

 

 

Literatur:

Flechsig, K.-H.: Forschungsschwerpunkte im Bereich der Unterrichts­technologie. In: Roth, H./Friedrich, D. (Hrsg.): Bildungsforschung, Prob­leme- Perspektiven- Prioritäten. Teil 2, Band 51. Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1975, S. 128- 180.  

Flechsig, K.-H.: The Göttinqen Centre of Documentation for Educational Studies and Pedagogical Knowledge; in: Universitas 32/1990, S.127 -132. In spanischer Sprache erschienen unter dem Titel "Cooperacn Cienfica internacional: Centro de Documentación de Didáctica y Pedagogía de Göttingen; in: Universitas 37/1990, S. 296-274.

Flechsig, K.-H.: Einführung in CEDID. Göttingen, Zentrum für Didakti­sche Studien, 1991.

Flechsig, K.-H.: Kleines Handbuch Didaktischer Modelle. Eichenzell, Neuland-Verlag für lebendiges Lernen, 1995.

Flechsig, K.-H.: Lexikon-Stichwort "Interkulturelle Didaktik". Internes Arbeitspapier 1/99. Göttingen Institut für Interkulturelle Didaktik 1999, siehe unter wwwuser.gwdg.de/~kflechs/iikdiaps1-99.htm. Auch in: Roth, L. (Hrsg.): Pädagogik. Handbuch für Studium und Praxis. München, Ehrenwirth 1996, S.1073-1081.

Fowler, S.M./Steinwachs, B.: Clues and Challenges. Hilfen und Herausforderung. Deutsches Komitee Youth For Understanding e.V., Hamburg 1993, Übersetzung durch Andreas Oh­lemacher u.a.: Clues & Challenges - Ein Simulationsspiel zur Orientierung im interkulturellen Dialog. Institut für Interkulturelle Didaktik, Internes Arbeitspapier 2/92.

Haller, H.-D.: Kulturkonflikte, interkulturelle Verständigung und szeni­sches Lernen. In: Schriftenreihe des Koordinations- und Studienzentrums Frieden und Umwelt, Heft 4. Göttingen 1996.

Haller, H.-D.: Alternative Instructional Models and Knowledge ­Organization and Design-Support With CEDID. In: Tennyson, R. / Schott, F./ Seel, N.M./Dijkstra, S.(eds.), Instructional Design: International Perspectives, Vo1.1: The­ory, Research, and Models. Mahwah, New Jersey/London. Lawrence Erlbaum, As­sociates, 1997, S. 371-379.

Heue, M.: Die Erfassung kultureller Wertorientierungen an Hand der Ansätze von Kluckhohn/Strodtbeck und Hofstede und deren Verwendungsmöglichkeiten für Situationen des Kulturaustausches, Diplom-Arbeit, Fachbereich Sozialwissenschaften, Universität Göttingen, 1995.

Hofstede, G.: Culture's Consequences – International Differences in Work Related Values, Newbury Park, London, Neu Delhi 1980.

Thompson, M., Ellis, R. / Wildavsky, A.: Cultural Theory. Boulder, San Fran­cisco & Oxford. 1990.

 

 


[1] Studienordnung für das Fach/den Teilstudiengang Interkulturelle Didaktik im Magister-Studiengang des Fachbereichs Sozialwissenschaften der Universität Göttingen, Fassung vom 30.1.1990.

[2] a.a.O.

[3] Dieses Simulationsspiel wurde im Kontext von „Youth for Understanding“ entwickelt, also für den Jugendaustausch.

[4] Beim Fünf-Kulturen-Spiel erlernen die Teilnehmer auf spielerische Weise, sensibel mit kulturbedingten Eigenschaften anderer umzugehen und Strategien im Umgang mit fremden Lebens- und Kommunikationsstilen zu entwickeln. Die 13-20 Teilnehmer bilden fünf Gruppen. Jede der fünf Gruppen vertritt eine Kultur (einen „Lebensstil") entsprechend einer ausführlichen Beschreibung (der Rollenkarte). Nachdem sich jede Gruppe mit „ihrer" Kultur vertraut gemacht hat, wird sie mit einem wichtigen Ereignis konfrontiert, das sie in Kontakt zu den anderen Kulturen bringt. Es geht um ein gemeinsames Problem, für das die einzelnen Gruppen zunächst kulturspezifische Lösungsvorschläge entwickeln. Ausgehend von diesen Vorschlägen wird der Versuch unternommen, im Dialog miteinander zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Beschreibungen dieses Spiels wie auch anderer Trainingsmaterialien sowie die noch verfügbaren Internen Arbeitspapiere des „Instituts für Interkulturelle Didaktik“ findet man auf der Internetseite www.aikud.de.

[5] Hierbei sind Arbeiten zu nennen, bei denen es um Untersuchungen zu Lernstilen bei Studierenden in verschiedenen Ländern (Brasilien, Iran) und um online-Erhebungen zu „critical incidents“ bei arabischen Studierenden in Deutschland ging.

[6] Siehe www.integration-eu.org.

[7] Siehe www.act-eu.org.

 

 

 

Letzte Publikation

Hans-Dieter Haller, Zur Entwicklung und den Beiträgen des Instituts für Interkulturelle Didaktik 1989-2000. In: Kathrin Rheinländer (Hrsg.), Göttinger Pädagogik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hamburg, Verlag Dr. Kovač, 2009, S. 343-353.